Ein Beitrag von Dr. Stefan Kleßmann
Mit der neuen, weiterentwickelten „Honorarordnung für Ausstellungsgestaltung“, die im Frühjahr 2023 bei av edition erschienen ist, stellt sich die Frage, welche Vorteile oder auch Nachteile diese für die Museen, die mit externen Ausstellungsplanern zusammenarbeiten, bringt. Die erste Fassung aus 2019 war ja von vielen Branchenbeteiligten sehr begrüßt, gleichzeitig aber auch mit Skepsis betrachtet worden: Sind die Honorare zu hoch? Ist eine vertragliche Vereinbarung der HOAS mit (unkalkulierbaren) Risiken verbunden?
Was häufig übersehen wird ist der Umstand, dass die HOAS nicht wirklich eine „Honorarordnung“ darstellt, so wie lange Jahre etwa die HOAI bindendes Preisrecht für Architekten und Ingenieure war. Im Grunde sind die Honorartabellen der HOAS nur ein kleiner Aspekt und bilden rechtlich lediglich einen Orientierungsrahmen, der aber keine Verbindlichkeit entfaltet. Der wichtigste Teil der HOAS ist der Bereich, wo die für die Erarbeitung einer Ausstellungsgestaltung erforderlichen Leistungen genau beschrieben werden, die sogenannten Kernleistungen. Weiter hilft die HOAS, Begriffe einheitlich zu definieren, möglicherweise benötigte besondere Leistungen wie eine Checkliste für Ausstellungsvorhaben aufzuführen, und für die ganz normalen Regelungsfälle einer Vertragsbeziehung zwischen Museum und Ausstellungsplaner Regelungen vorzuschlagen, die für beide Seiten hilfreich und nützlich sind,. Diese ersparen es, dafür neu in individuellen Verträgen wieder Formulierungen zu finden und auszuhandeln. Die HOAS ist damit in aller erster Linie ein Leitfaden, ein Standard, der es beiden Seiten ermöglicht, sicher und klar durch einen Planungsprozess zu navigieren.
Genau hier sehen wir auch die meisten Verbesserungen in der neuen HOAS (2). Der Kanon der Kernleistungen ist viel genauer und differenzierter aufgestellt. Für alle Teilaspekte wie die technische Planung, die Grafik, die Medienplanung, interaktive Exponate, das Kostenmanagement etc. wird nun Phase für Phase genau festgelegt, welche Leistungen die Planer schulden. Auch ist definiert, wann und in welchem Umfang Änderungen einzuarbeiten sind bzw. bei Nicht-Gefallen der Auftraggeber auch alternative Gestaltungsentwürfe (ohne Mehrkosten) verlangen kann.
Nun stellt sich natürlich die Frage nach der „Parteilichkeit“ der HOAS. Handelt es sich hier um die vielleicht einseitigen Geschäftsbedingungen von szenografischen Büros, die sich von der Anwendung der HOAS einen Vorteil versprechen? Um diese Frage beantworten zu können, lohnt sich ein Blick auf den Verband für Ausstellungsgestaltung, genannt „VERA“, der die Anwendung der HOAS empfiehlt und auch an der Erstellung beratend mitgewirkt hat.
VERA sieht sich zunächst einmal nicht als Interessen-Gemeinschaft und Lobbyist, so wie vielleicht so mancher Verband aus der Industrie. VERA möchte zunächst die Disziplinen der Ausstellungsgestaltung zusammenbringen, also Kuratoren, Architekten, Szenografinnen, Grafiker und Gestalter audiovisueller Medien. Zielsetzung ist eine Vermittlungsrolle zwischen Themen und Besuchenden. Mitglieder bei VERA sind neben großen und kleinen Agenturen auch viele Freiberufler, Einzelunternehmen und Institutionen. Oberstes Ziel ist zunächst, den Berufsstand bekannter zu machen und mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten den Dialog zu fördern.
Die HOAS nun ist von mir verfasst worden mit einer sehr breiten Unterstützung von VERA, indem VERA etwa Workshops organisiert hat, Feedback-Formate, sowie die Publikation bei AV-Edition etwa mit Druckkosten-Zuschüssen gefördert hat. Da ich als Autor der HOAS selbst überwiegend für Museen und Ausstellungshäuser arbeite, etwa Wettbewerbsverfahren koordiniere oder größere Ausbauvorhaben beratend begleite, habe ich stets darauf bestanden, dass die HOAS ein ausgeglichenes Regelwerk wird, dass die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt. Es ist das große Verdienst von VERA, dass man diese Herangehensweise unterstützt hat. Auch bei VERA gibt es die Überzeugung, dass so ein Regelwerk nur funktionieren kann, wenn es die Interessen der Museen und Auftraggeber gleichermaßen unterstützt.
Hier ein paar Beispiele aus der HOAS, wo in ganz besonderem Maße den Interessen der Museen Rechnung getragen wird:
- Es wird das Recht der Auftraggeber festgeschrieben, dass die Werke der Gestalter jederzeit auch ohne deren Zustimmung verändert oder auch abgerissen werden können (anders als in der Architektur, wo Architekten solche Maßnahmen häufig über Jahre verhindern oder an eine Beauftragung an sie als Urheber zur Bedingung machen)
- Es wird das Recht der Auftraggeber festgeschrieben, bei Nicht-Gefallen von Gestaltungskonzepten auch ohne zusätzliche Vergütung nicht nur Änderungen, sondern auch ein alternatives Konzept anfordern zu können
- Es wird festgeschrieben, dass mögliche Ansprüche von Gestaltern auf die Vergütung von zusätzlichen Leistungen, ersatzlos entfallen, wenn diese nicht auch zeitnah konkret geltend gemacht werden (damit wird dem für Museen ärgerlichen Umstand entgegengewirkt, dass manchmal Monate später plötzlich die Vergütung von angeblichen Mehrleistungen angemeldet wird)
- Es wird die unbedingte Verpflichtung von szenografischen Planungsbüros festgeschrieben, definierte Budgetobergrenzen einzuhalten und bei einer Überschreitung die erforderlichen Anpassungsplanungen ohne zusätzliche Vergütung auszuführen
- Es wird festgeschrieben, dass Museen, die für Ausstellungsvorhaben gute Voraussetzungen schaffen (z.B. fertig nutzbare Ausstellungsräume, zum Arbeitsbeginn vorliegende Inhalte und Exponatlisten) einen Anspruch auf Honorarabschlag haben. Zum Vergleich: Die HOAI kennt nur Zuschläge, nicht aber Abschläge auf das Honorar.
- Im Vorfeld zur HOAS (2) beanstandete die bayerische Landesstelle für nicht-staatliche Museen, dass die Ausstellungen mit „durchschnittlichen Anforderungen“ schon mit der Honorar-Kategorie C (aus dem Spektrum A bis D), also eher im höheren Bereich angesiedelt wurde. Diese Kritik wurde aufgenommen und führte in der HOAS (2) zu einer Einstufung nun in der niedrigeren Kategorie B.
Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich machen, dass die HOAS alles andere ist als ein einseitiger Interessen-Katalog der Ausstellungsgestalter.
Damit wird deutlich, dass es vorteilhaft ist, wenn die HOAS auch in die Verträge und Auftragserteilungen der Museen eingebunden wird. Denn die o.g. vorteilhaften Regelungen entfalten nur Gültigkeit, wenn sie auch vereinbart werden. Als Berater von Museen stelle ich immer wieder fest, dass die Rechtsbeistände einer Vereinbarung der HOAS, sogar als nachrangige Vertragsanlage, eher reserviert gegenüberstehen. Das wäre insoweit unproblematisch, wenn dann die für Auftraggeber wichtigen Regelungen im Hauptvertrag Eingang finden. Mangels einschlägiger Branchenerfahrung der meisten Rechtsabteilungen erfolgt das dann aber in der Regel nicht. Oder es wird auf standardisierte Vertragsvorlagen für freiberufliche Leistungen zurückgegriffen, die für viele der typischen Konflikte, die bei einer häufig vielschichtigen und auch nicht selten über mehrere Jahre gehenden Planung auftreten, keine Lösungen vorgesehen haben. Das führt nicht selten später zu vertraglichen Streitigkeiten, die leicht vermeidbar gewesen wären. Denn die HOAS ist vor allem eins: Ein Konflikt-Vermeidungs-Werkzeug. Denn die HOAS ist mit dem Praxis-Alltag eines häufig ja sehr komplexen und auch langwierigen Planungsprozesses vertraut und hat für alle möglichen potentiellen Konflikt-Situationen klare und faire Lösungen parat.
Aber stecken nicht auch „Fallstricke“ in der HOAS, die für einen Auftraggeber sehr nachteilig sein können?
Eine präzise Definition von geschuldeten Leistungen wirkt in beide Richtungen. Sie sichert dem Auftraggeber einen verbrieften Anspruch auf bestimmte Leistungen. Auf der anderen Seite definiert sie damit aber auch, was NICHT zum Leistungsbild gehört. Damit hier ein Auftraggeber sich nicht mit unerwarteten Forderungen konfrontiert sieht, empfiehlt es sich, schon bei der Ausschreibung und der Aufstellung der gewünschten Leistungen sich den Kanon der „besonderen Leistungen“ in der HOAS anzuschauen. Das was man aus diesem Kanon benötigt, integriert man dann gleich mit ins Anforderungsprofil. Der Abschnitt der „besonderen Leistungen“ kann dabei wie eine Checkliste genutzt werden.
Können nun die Planungsbüros mithilfe der HOAS besonders viele zusätzliche Vergütungen geltend machen? Aus meiner Sicht: Nein. Denn die Leistungsanforderungen sind so genau, dass hier kein Spielraum für Interpretationen bleibt. Sollte es wirklich Grauzonen geben, empfehle ich, diese dann auch schon in der Ausschreibung anzusprechen und klarzustellen, dass man die gewünschte Leistung als Teil des zu erbringenden Leistungskatalogs einstuft.
Ein potentielles Konfliktthema ist auch die vorzeitige Vertragsauflösung. Sollte es dazu kommen, sehen sich Auftraggeber nicht selten der Problematik gegenüber, die schon erarbeiteten Pläne und Entwürfe nicht digital so zur Verfügung zu haben, dass ein anderer Auftragnehmer darauf aufbauen kann. Aber auch in diesem Punkt schreibt die HOAS viele Rechte für den Auftraggeber fest, der ihm in solchen Fällen immer Anspruch und Zugriff auf diesen digitalen Unterlagen und die damit verbundenen Rechte erlaubt.
Ein Einwand könnte auch sein, dass die HOAS für den Fall erheblicher Projektverzögerungen bestimmte Kompensationen für die Planungsbüro vorsieht, um etwa ein Projektmanagement auf „standby“ zu erhalten oder sicherzustellen, dass das Planungsteam auch dann wieder für das Projekt aktiviert werden kann, wenn es zwischenzeitlich auf andere Projekte von der Auftragnehmerin zu disponieren ist.
Auch hier ist ein Einwand gegen die HOAS unbegründet, denn zum Einen ergeben sich solche Ansprüche schon ohnehin aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und auf Grund vom Auftraggeber mit der Verlängerung verbundener gewünschter oder benötigter Sockel-Leistungen. Die HOAS macht hier nun ein Angebot auf eine Vergütung dieser Ansprüche, die in etwa der Höhe liegt, wie sich das Gros der Parteien in den letzten 20 Jahren in solchen Situationen meist ohnehin verständigt hat. Nur dass es dafür früher immer langwierige, für beide Seiten unerquicklicher Verhandlungen bedurfte. Das Angebot liegt auch auf der Linie, wie sich die Parteien üblicherweise irgendwann vergleichen würden, wenn sie in solchen Situationen den Rechtsweg suchen würden. Wer das dann dennoch tun möchte, kann das auch dann tun, wenn die HOAS vereinbart wurde, denn die HOAS hebelt die gesetzlichen Regelungen nicht aus und formuliert die Ansprüche letztlich als Empfehlung und Orientierung.
In der Summe lässt sich resümieren, dass die HOAS für beide Seiten viel Klarheit, Rechtssicherheit und Orientierung gibt. Sie fungiert als ein verlässlicher Leitfaden, der die Parteien durch den Planungsprozess geleitet. Und dies gerade auch dann, wenn die Vorhaben sehr komplex sind und die Planung sich über mehrere Jahre hinzieht.
Mit der steigenden Bedeutung der HOAS für die Museums-Szene bietet die HOAS (2) nun auch folgerichtig Angebote für mögliche Muster-Ausschreibungen und gibt hier Empfehlungen für kleine, mittlere und große Ausschreibungen. Sie ist damit gewissermaßen ein Handbuch geworden, das in keinem Ausstellungshaus in der Handbibliothek der Leitung fehlen sollte. Von den DIN-Nummern für Ausstellungskosten bis hin zu Aufstellungen, welche Kosten pro Quadratmeter für unterschiedliche Ausstellungstypen anfallen bzw. zu budgetieren sind, enthält die HOAS (2) eine ganze Reihe praktischer Werkzeuge, die hilfreich sein können, wenn man neue Ausstellungs-Vorhaben angeht. Auch die auf Einzelleistungen (innerhalb der jweiligen Kernleistungen) heruntergebrochene Tabelle mit prozentualen Einstufungen für jeden einzelnen Leistungsbaustein kann hilfreich sein, wenn z.B. Teile der Kernleistungen entfallen und hierfür einen Preisnachlass in Anspruch nehmen möchte. Leider enthält diese Tabelle ein paar Druckfehler, so dass Sie bei Anwendung sich die Tabelle als fehlerfreie Excel vom Verband oder vom Autor zusenden lassen sollten.