Station: [10] Comptoir


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Frauenstimme: Hier arbeitet mein Wilhelm, wenn er tagsüber mal nach Hause kommt. Leben und Arbeiten – das kann er gar nicht voneinander trennen. Er kommt zum Mittagessen nach Hause, geht danach in sein Comptoir, um die Post zu erledigen oder einige Akten zu bearbeiten. Dann hält er meistens ein kleines Nickerchen hier auf dem Sofa – nicht lang, nur, um sich zu erfrischen. Wenn er aufwacht, steht schon die Wasserkanne für eine kurze Katzenwäsche bereit und schon ist er wieder zur Tür hinaus und auf dem Weg in seine Fabriken. Abends trifft er sich manchmal hier mit seinen Geschäftsfreunden zu einer kleinen Skatpartie. Das ist wichtig, denn Wilhelm legt großen Wert darauf, in Gesellschaft, Politik und Militär die richtigen Leute zu kennen, um seine Geschäfte voranzutreiben. Er hat gemeinsam mit meinem Vater die Gabriel-und Bergenthal-Achsenwerke gegründet, er sitzt in einigen Verwaltungs- und Aufsichtsräten und frequentiert beruflich wie privat die richtigen Leute. Unsere Familie, auf die wir sehr stolz sind, sehen Sie überall hier auf den Fotografien. [aufgeregt] Und stellen Sie sich vor. Als Wilhelm einmal unserem verehrten Bismarck eine kleine Geburtstagsgabe gesendet hat, da hat dieser sich [betont] ei-gen-hän-dig bei uns bedankt! Dort hinten auf dem Schreibpult sehen Sie den Brief des Reichskanzlers! Das war ein Ding! Männerstimme: Frau Bergenthal, wenn ich mir kurz eine Zwischenfrage erlauben dürfte: Diente dieser Raum nun eher dem Wohnen und Lebensgenuss Ihres werten Gatten oder der Arbeit? Frauenstimme Therese: [sehr spontan] Beidem! Dem Wohnen und Arbeiten. Das ist für Wilhelm überhaupt nicht zu trennen. Leben ist arbeiten und arbeiten ist leben. Selbst die Feste, die wir feiern… nun ja [etwas herumdrucksend] … haben ja auch eine geschäftliche Bedeutung, nicht wahr? Jeder muss doch sehen, wo er bleibt. Kommen Sie mal mit in den Flur… SFX Schritte auf Teppich, Stimme entfernt sich … und von dort aus in den nächsten Raum, unser Florentiner Zimmer. Da kann ich es Ihnen auch erklären. Männerstimme: [leicht rufend] Einen Moment noch, werte Frau Bergenthal. Wir kommen gleich nach! [zum Besucher] Schauen Sie mal, was ich entdeckt habe, hier auf der Zeichnung über dem mächtigen Bücherschrank: eine Ansicht der Stadt Warstein mit den Fabriken Bergenthals im Vordergrund, den Gabriel-und-Bergenthal-Achsenwerken. Die Werkhallen schön in Reih und Glied, hohe Schornsteine… Doch der Hang im Hintergrund, der hier auf dem Bild kahl und leer aussieht: Da stehen in Wirklichkeit die Werke seines ärgsten Konkurrenten: die Warsteiner St. Wilhelmshütte. Tss, tss, tsss… der Geheime Kommerzienrat Bergenthal dreht sich die Welt wohl ein bisschen so zurecht, wie er sie brauchen kann! Frauenstimme [von Ferne]: Kommen Sie? Wo bleiben Sie denn! Männerstimme: [sich entfernend] Wir eilen, werte Frau Bergenthal! [zum Besucher] Kommen